Infos

IP-Ratings erklärt: Was steckt hinter IP20 & Co?

Jacqueline Weiß, MA MBA
Digital Marketing & Content Manager

In industriellen Umgebungen ist es entscheidend, dass elektrische Geräte zuverlässig vor äußeren Einflüssen wie Staub, Wasser oder dem Eindringen von Fremdkörpern geschützt sind.

Dieser Artikel beschreibt die verschiedenen Schutzarten (Ingress Protection, IP) sowie typische Anwendungsbereiche und zeigt, welche unserer Produkte bzw. Gehäuselösungen die entsprechenden Schutzklassen erfüllen.

Entstehung der IP-Klassifikation

In den 1950er- und 60er-Jahren stieg der Bedarf an zuverlässigen Schutzklassen für elektrische und elektronische Geräte, besonders in industriellen und feuchten Umgebungen. Unterschiedliche Länder hatten jeweils eigene Normen, was internationale Zusammenarbeit und Produktsicherheit erschwerte.

Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) entwickelte daraufhin die IP-Klassifikation im Rahmen der IEC-Norm 60529, die erstmals 1976 veröffentlicht wurde. Ziel war es, ein klares international verständliches System zur Angabe des Schutzes gegen das Eindringen von festen Fremdkörpern (z. B. Staub) und Wasser zu schaffen.

Die IP-Schutzarten (Ingress Protection) definieren, wie gut ein Gehäuse elektrische Komponenten vor solchen Einflüssen schützt.

Wie funktioniert die Klassifizierung?

Die Wahl der richtigen IP-Schutzklasse ist entscheidend für die Lebensdauer und Sicherheit elektrischer Geräte.

 

Die IP-Klassifizierung besteht grundsätzlich aus zwei Ziffern:

  • Erste Ziffer (0 – 6):

Schutz gegen Fremdkörper bzw. Staub  

  • Zweite Ziffer (0 – 9):

Schutz gegen Wasser

 

Beispiele:

IP20 bedeutet Schutz gegen größere Fremdkörper (2) und keine Schutzwirkung gegen Feuchtigkeit (0).

IP65 bedeutet vollständiger Schutz gegen Staub (6) und Schutz gegen Strahlwasser aus allen Richtungen (5).

 

Die untenstehende Tabelle liefert einen Überblick zu den unterschiedlichen Schutzgraden der einzelnen Ziffern hinsichtlich Fremdkörper und Wasser.

Warum IP69 nicht automatisch IP67 bedeutet

Bei einem Blick in die Tabelle oberhalb könnte man dazu verleitet sein, zu denken: „Ein höheres IP-Rating umfasst automatisch alle niedrigeren und ist daher immer die bessere Wahl.“ Klingt logisch – ist aber nicht korrekt.

 

IP-Ratings sind keine lineare Skala

So bedeutet IP67: vollständiger Staubschutz (6) und Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen (7). IP69 hingegen steht ebenfalls für vollständigen Staubschutz (6), aber für Schutz gegen Hochdruck- und Dampfreinigung (9).

Wichtig: Die zweite Ziffer „9“ bedeutet nicht automatisch, dass auch die Anforderungen der Stufe „7“ erfüllt sind. Denn: Die Testmethoden unterscheiden sich grundlegend.

 

Unterschiedliche Prüfverfahren – unterschiedliche Anforderungen

IP67: Das Gerät wird für 30 Minuten in 1 m tiefes Wasser getaucht. Es geht um Dichtigkeit bei statischem Wasserdruck.

IP69K: Das Gerät wird mit 80 °C heißem Wasser unter 100 bar Druck aus verschiedenen Winkeln besprüht. Es geht um Widerstand gegen dynamische Hochdruckreinigung.

Ein Produkt, das IP69K erfüllt, kann also theoretisch bei dauerhaftem Untertauchen undicht werden, obwohl es Hochdruckstrahlen standhält. Umgekehrt kann ein IP67-Produkt beim Hochdruckreinigen versagen, obwohl es unter Wasser dicht bleibt.

Klassifizierungsbeispiele und typische Einsatzbereiche

Wir bieten eine breite Palette an Schaltern und Gehäusen mit passenden Schutzarten für industrielle und gewerbliche Anwendungen. Untenstehend handelt es sich um einen Auszug relevanter IP-Schutzklassen sowie Produktbeispielen aus unserem Sortiment.

 

Schutzart IP20

IP20 bietet Schutz gegen feste Fremdkörper größer als 12,5 mm bzw. Berührungsschutz (z. B. durch Finger) und eignet sich gut für Schaltschränkeim Innenbereich.

Fingersicher nach IP20

In diesem Zusammenhang wird oft von „Fingersicherheit nach IP20“ gesprochen, was bedeutet, dass ein elektrisches Gerät oder Gehäuse so konstruiert ist, dass keine gefährlichen spannungsführenden Teile mit einem Finger berührt werden können – selbst wenn man versucht, mit einem Finger in Öffnungen zu fassen.

Einige Schaltertypen von Kraus & Naimer haben bereits fingersichere Anschlussklemmen.

Einsatz von Klemmabdeckungen

Bei Schaltertypen ohne fingersichere Anschlussklemmen können Klemmabdeckungen montiert werden, um unbeabsichtigte Berührung spannungsführender Klemmen zu verhindern.  

Schutzart IP65

Die Schutzklasse IP65 bietet vollständigen Schutz gegen Staub und Schutz gegen Strahlwasser aus allen Richtungen.

IP65 kommt häufig im Maschinenbau zum Einsatz und ist auch gut für den Außenbereich geeignet.

Die Funktionsgriffe von Kraus & Naimer der Serie FH14 haben beispielsweise die Schutzart IP65 bei aufgeschraubter Kupplung.

Auf dem Foto rechts ist ein Funktionsgriff der Serie FH14 zu sehen, der bei einer Maschine zum Schälen von Rotoren zum Einsatz kommt. Neben der Not-Halt-Funktion (oben) wird der Griff auch zum Öffnen der Tür der Maschine verwendet.

Schutzarten IP66 / IP67

IP66 bietet komplette Dichtheit gegenüber Staub sowie Schutz gegen starkes Strahlwasser. Die Schutzart IP67 bedeutet ebenfalls komplette Staubdichtheit sowie Schutz gegen Wasser sogar bei kurzem Eintauchen. Höhere Schutzarten wie IP66 und IP67 sind insbesondere in der Lebensmittelindustrie, chemischen Industrie und generell bei Außeninstallationen relevant.

Die Gehäuse der KL- und KS-Serie von Kraus & Naimer haben eine hohe Schutzart (bis IP66/67) und können somit auch in klimatisch schwierigen Bedingungen eingesetzt werden.

Einsatz in der Schifffahrt

Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich für diese hohen Schutzklassen ist die Schifffahrt.

Rechts im Bild ist ein spezifisch angefertigter Schalter (IP66/IP67) zu sehen, der von unseren Kolleg:innen in Großbritannien für den weltweit letzten seegängigen Raddampfer, die Waverley, (benannt nach Sir Walter Scotts erstem Roman und gebaut am Clyde im Jahr 1947) konstruiert wurde, um dem Design des Dampfers zu entsprechen.

Bedeutung des "K" bei der IP-Klassifizierung

Das "K" in der IP-Klassifizierung steht für eine erhöhte Schutzklasse, die über die standardmäßigen IP-Schutzarten hinausgeht. Das „K“ existiert nur in Verbindung mit Wasser bzw. Flüssigkeiten (zweite Ziffer).

Diese zusätzliche Schutzklasse wird oft in rauen industriellen Umgebungen eingesetzt, wo Geräte und Gehäuse extremen Bedingungen ausgesetzt sind.

Das "K" wird in Kombination mit den üblichen IP-Ziffern verwendet (z. B. IP69K), um anzuzeigen, dass das Gerät oder Gehäuse zusätzlichen Schutz bietet.

Aktuelle Bedeutung der IP-Klassifizierung

Heute ist die IP-Klassifizierung ein weltweiter Standard, insbesondere bei industriellen Geräten, Outdoor-Produkten, Smartphones und LED-Beleuchtung.

Neue IP-Stufen wie IPX7 oder IP69K wurden im Laufe der Zeit ergänzt, um spezifische Anforderungen wie Hochdruckreinigung oder kurzzeitiges Untertauchen zu beschreiben.

 

Bedeutung des „X“ bei der IP-Klassifizierung

Das „X“ steht dafür, dass ein Bereich (entweder Staubschutz oder Wasserschutz) nicht getestet oder nicht angegeben ist.

Beispiele:

  • IPX4: ein gewisser Wasserschutz vorhanden, aber keine Aussage zum Schutz gegen Staub.
  • IP5X: ein gewisser Staubschutz vorhanden, aber keine Aussage zum Wasserschutz.

„X“ ist also nicht gleichbedeutend mit „0“, sondern bedeutet „nicht definiert oder nicht getestet“. Die Null bedeutet hingegen eindeutig „kein Schutz“.

Das „X“ kommt vor allem zum Einsatz, wenn der Hersteller sich auf einen Schutzbereich fokussiert (z. B. nur Wasserschutz bei Elektronik für Nassbereiche, oder nur Staubschutz in staubigen Industrieumgebungen) bzw. der Schutz für eine Kategorie nicht relevant ist und daher nicht getestet wurde.

Worin unterscheiden sich die Schutzklassen IP69 und IP69K?

Der Unterschied zwischen IP69 und IP69K liegt in der genauen Testmethode und dem Anwendungsbereich. Beide Schutzarten bieten einen höchstmöglichen Schutz gegen Staub und Wasser, doch IP69K ist speziell für Hochdruck- und Hochtemperaturreinigung konzipiert.

Zusätzlich zu IP69 widersteht IP69K Hochdruckreinigung mit Wasserstrahlen von bis zu 100 bar und 80°C.

Sie wurde ursprünglich für Fahrzeug- und Lebensmittelindustrie entwickelt, wo Geräte intensiver Reinigung mit Heißwasser und Hochdruckstrahlen standhalten müssen.

Schutzart IP69K

IP69K bedeutet vollständiger Staubschutz und Schutz gegen Hochdruck- und Dampfreinigung.

IP69K-Produkte werden oft in hygienekritischen Bereichen wie Lebensmittelproduktion, Chemie- oder Pharmabranche eingesetzt.

Ein Beispiel für diesen höchstmöglichen Schutz wäre der Not-Halt-Taster von Kraus & Naimer im gelb-schwarzen Gehäuse.

 

Fazit: Immer auf die Anwendung achten

Ein Produkt mit IP69K ist nicht automatisch „besser“ als eines mit IP67 – es ist einfach anders getestet. Für Anwendungen in der Lebensmittelindustrie oder Fahrzeugreinigung ist IP69K ideal. Für Unterwasserpumpen oder temporäres Eintauchen ist IP67 die bessere Wahl.

Tipp: Achten Sie bei der Produktauswahl nicht einfach nur auf die Ziffern, sondern auf die konkreten Anforderungen Ihrer Anwendung – und prüfen Sie, ob das Produkt tatsächlich für alle Schutzarten geeignet ist, die Sie benötigen.

 

Verwandte Themen

Not-Aus vs. Not-Halt

Unterschiede erklärt

Mehr erfahren

Lasttrennschalter

Funktionen & Anforderungen

Mehr erfahren